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Die Weigerung einen vom Versicherer benannten Arzt aufzusuchen, führt nicht immer zu einer Verletzung der Obliegenheiten aus dem Versicherungsvertrag.


BGH, Urteil v. 02.12.2009, Az. IV ZR 181/07


Der Bundesgerichtshof entschied insoweit zugunsten eines Klägers, der Ansprüche aus seiner Unfallversicherung gegenüber der privaten Unfallversicherung geltend gemacht hatte.

 

Der Kläger war im Jahre 2000 aus 3,5 Metern Höhe von einer Leiter gestürzt und hatte schwere Verletzungen an Brust- und Lendenwirbeln erlitten. Aus dem Sturz resultierte unstreitig eine posttraumatische Fehlstatik der Wirbelsäule mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung und Funktionsbehinderung, die die Unfallversicherung in der Folge nach einem Invaliditätsgrad von 30% regulierte. Weitergehende Beschwerden blieben zwischen Kläger und Versicherung streitig. 

 

In der Folge kam es dann zum Prozess um die Höhe des Grades der Invalidität. Der Kläger verlangte mit der Klage eine Invaliditätsleistung nach einem Invaliditätsgrad von 80%.

 

Die Versicherung berief sich nun im Prozess auf Leistungsfreiheit wegen Verletzung einer Obliegenheit. Der Kläger hatte sich wegen angeblicher „Inkompetenz“ der von der Versicherung beauftragten Ärzte geweigert, diese ein Jahr nach der Erstbegutachtung erneut zur Untersuchung aufzusuchen.

 

Der BGH entschied jetzt, dass der Kläger durch sein Verhalten keine Obliegenheit verletzt habe. Die beklagte Versicherung habe eine Entscheidung über die Erstbemessung getroffen. Daraus folge zugleich, dass ein weiterer Aufklärungsbedarf insoweit nicht mehr bestanden habe. Somit bestehe im Blick auf die Erstbemessung der Invalidität danach eine Obliegenheit des Klägers nicht mehr, sich auf Verlangen der Beklagten ärztlich untersuchen zu lassen. 

 

Auch im Hinblick auf eine Neubemessung der Invalidität habe der Kläger keine Obliegenheit verletzt. Lediglich der Kläger, nicht aber die Versicherung, habe sich nach der Erstfeststellung überhaupt ein Recht zur Neubemessung vorbehalten. Auf dieses Recht könne der Kläger aber auch verzichten. 

 

Der BGH verwies den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurück, um den Grad der unfallbedingten Invalidität weiter aufzuklären. 

Hintergrund


§ 11 der Musterbedingungen (AUB 88) lautet:

 

„I. Sobald dem Versicherer die Unterlagen zugegangen sind, die der Versicherungsnehmer zum Nachweis des Unfallhergangs und der Unfallfolgen sowie über den Abschluß des für die Bemessung der Invalidität notwendigen Heilverfahrens beizubringen hat, ist der Versicherer verpflichtet, innerhalb eines Monats – beim Invaliditätsanspruch innerhalb von drei Monaten- zu erklären, ob und in welcher Höhe er einen Anspruch anerkennt...“

 

„IV. Versicherungsnehmer und Versicherer sind berechtigt, den Grad der Invalidität jährlich, längstens bis zu drei Jahren nach Eintritt des Unfalls, erneut ärztlich bemessen zu lassen. Dieses Recht muß seitens des Versicherers mit Abgabe seiner Erklärung entsprechend I., seitens des Versicherungsnehmers innerhalb eines Monats ab Zugang dieser Erklärung ausgeübt werden (Hervorhebungen durch den Verfasser, Anm. der Redaktion)....“

 

Diesen Kommentar verfasste Rechtsanwalt Jan-Martin Weßels, Hamburg

(Quelle der Entscheidung: Bundesgerichtshof, erhältlich unter http://juris.bundesgerichtshof.de)