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Marktwertversicherung zugunsten eines Fußballprofis: Versicherer verwendete unklare Klauseln in seinen Bedingungen


BGH, Urteil v. 16.09.2009, Az. IV ZR 246/08


Die Parteien stritten um Zahlungen aus einer sog. Marktwertversicherung. Diese Versicherung hatte ein Fußballverein der 2.Liga zugunsten seiner Spieler für den Fall der Invalidität abgeschlossen. Nach einem Punktspiel hatte sich ein versicherter Spieler eine Knieverletzung zugezogen. 

 

Die Versicherung verweigerte die Leistung. Ebenso die Vorinstanzen. Das OLG Bamberg wies die Berufung des Klägers mit der Begründung zurück, dass der Kläger grob fahrlässig gegen seine Obliegenheiten aus § 5 II 3 der vereinbarten Bedingungen verstoßen habe, da er nicht innerhalb von 20 Tagen nach Beginn der „dauernden Vollinvalidität“ das geforderte Nachweisformular vorgelegt habe.

 

Die Versicherungsbedingungen sahen unter § 3 Nr.5 folgende Regelung vor: „Dauernde Vollinvalidität bedeutet, dass die versicherte Person für die Dauer von zwölf aufeinanderfolgenden Monaten unter einer Vollinvalidität gelitten hat und dass aufgrund des unfallbedingten Personenschadens oder der durch diese Police gedeckten physischen Behinderung, die zu der Vollinvalidität führten, für die versicherte Person keine Aussicht auf eine derartige Besserung besteht, die ausreichend wäre, um jemals wieder ihre in dem Versicherungsvertrag festgehaltene berufliche Tätigkeit auszuüben.“

 

Ferner war in § 5 II 3 Folgendes geregelt: „Vorlage des Nachweisformulars über dauernde Vollinvalidität: innerhalb von 20 Tagen nach Beginn der dauernden Vollinvalidität hat die versicherte Person ein Nachweisformular zur dauernden Vollinvalidität vorzulegen, in welchem von einem niedergelassenen Arzt attestiert wird, dass die versicherte Person eine dauernde Vollinvalidität im Sinne von § 3 Nr. 5 erlitten hat. Das Formular hierzu ist bei dem Versicherer oder seinem Agenten erhältlich...“

 

Der Bundesgerichtshof (BGH) sah diese letzte Klausel wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs.1 S.2 BGB) und wegen Verstoßes gegen § 307 Abs.2 Nr.1 BGB als unwirksam an. Folge: Die Versicherung konnte sich nicht mit Erfolg auf eine Obliegenheitsverletzung berufen.

 

Der Versicherer habe die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Der Versicherungsnehmer/die versicherte Person könne aus § 5 II 3 der Bedingungen jedoch nicht erkennen, was von ihr verlangt werde, um den Anspruch auf die Versicherungsleistung nicht zu gefährden. 

 

Unklar sei, wann die knapp bemessene Nachweisfrist in Gang gesetzt werde. Voraussetzung für deren Beginn sei, dass dauernde Vollinvalidität eingetreten sei. Der versicherten Person würden umfassende, bis ins einzeln gehende medizinische Überlegungen abverlangt, zu denen sie in der Regel nicht in der Lage sei. 

 

Zudem werde die versicherte Person im unklaren darüber gelassen, ob sie binnen der kurzen Frist für die ärztliche Feststellung und die Einreichung des Nachweises beim Versicherer zu sorgen habe, was der Wortlaut nahe lege.

Sinn und Zweck der Regelung, die dem Versicherer Gelegenheit geben solle, die Leistungspflicht zeitnah zu überprüfen, würden jedoch dafür sprechen, dass sich die Frist erst ab der ärztlichen Feststellung hierüber berechne.

 

Diese Unklarheiten gehen nach diesem Urteil zu Lasten der Versicherung. Das Urteil des Berufungsgerichts wurde vom BGH aufgehoben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

 

Diesen Kommentar verfasste Rechtsanwalt Jan-Martin Weßels, Hamburg.(Quelle der Entscheidung: Bundesgerichtshof, erhältlich unter http://juris.bundesgerichtshof.de).

Hintergrund


Falls Sie sich für den Hintergrund des Falles und dessen Einzelheiten interessieren: Mit der mit „nein“ angekreuzten Gesundheitsfrage Nr. 3 war der Kläger gefragt worden:

„Sind Sie in den letzten 5 Jahren untersucht, beraten oder behandelt worden hinsichtlich: Herz, Kreislauf, innere Organe, Harnwege, Bluthochdruck, Atmungsorgane, Gefäße, Drüsen, Gehirn, Nerven, Psyche, Blut, Zucker, Stoffwechsel, Krebs, Tumore, Knochen, Gelenke, Wirbelsäule, Muskeln, Augen, Ohren, Haut, Allergien, Infektionen, Verletzungen, Vergiftungen, Alkohol- und Drogenkonsum?"

 

Der Kläger war vor Vertragsschluss u.a. wegen Gehirnerschütterung, Lumboischialgie, Fettleber, Oberbauchbeschwerden, Hypertonie, Ureterstein, Epicondylitis, Gastritis, Kreuzschmerz, Viruswarzen behandelt.

 

Der Kläger behauptete, der deutschen Sprache nicht mächtig zu sein und im Beratungsgespräch seien ihm die in Frage stehenden Gesundheitsfragen nicht übersetzt worden. Die Zeugen hätten die Gesundheitsfragen völlig anders vermittelt, als die Beklagte sie in ihrem Antragsformular schriftlich fixiert habe. Sie hätten ihm mitgeteilt, er müsse – entgegen der vorformulierten Gesundheitsfrage – nur chronische Krankheiten angeben. Sie hätten „immer genau das Gegenteil gesagt, von dem, was dort steht.“ Diese Angaben des Klägers sah das Gericht aber nach einer Zeugenvernehmung als widerlegt an. Während dieses Gesprächs hatte eine Frau dem Kläger die Gesundheitsfragen nämlich, nachdem sie durch den Versicherungsvertreter vorgelesen worden waren, auf Türkisch erläutert. 

 

(Zitat) „Beide Zeugen haben übereinstimmend bestätigt, dass dem Kläger die Gesundheitsfrage Nr. 3 von dem Zeugen F exakt vorgelesen worden ist. Die Zeugin B2 hat den Kläger zu der Frage Nr. 3 ihren Bekundungen nach sodann speziell gefragt, ob er in den letzten fünf Jahren beim Arzt gewesen ist. Darüber hinaus hat die Zeugin ausdrücklich in Abrede gestellt, den Kläger nur nach chronischen Krankheiten gefragt zu haben.“ 

 

und weiter (Zitat)

„Entgegen dem Berufungsvorbringen spricht nichts dafür, dass die Zeugin B2 dem Kläger die Gesundheitsfrage Nr. 3 abweichend von ihrem Inhalt dahingehend erläutert hat, er müsse nur die chronischen Krankheiten angeben.

Dabei hat die Zeugin insbesondere an keiner Stelle ausgesagt, dass dem Kläger gegenüber der Begriff der chronischen Krankheiten überhaupt verwendet worden ist. Die Zeugin hat lediglich allgemein angeben, dass Herr F den Begriff häufiger in Vermittlungsgesprächen verwendet. Sie konnte sich gerade nicht daran erinnern, ob er ihn in dem streitgegenständlichen Gespräch verwendet hat. Vielmehr hat sie allein angegeben, dass der Begriff "chronische Krankheiten" benutzt wurde, wenn er in den Gesundheitsfragen verwandt wurde. Dies ist aber bei den von der Beklagten im Streitfall verwendeten Fragen gerade nicht der Fall. Unschädlich ist entgegen der Ansicht des Klägers auch, dass die Zeugin B2 den Kläger ihren Bekundungen nach speziell gefragt hat, "ob er in den letzten fünf Jahren regelmäßig beim Arzt war". Dem Kläger wurde die Gesundheitsfrage Nr. 3 wörtlich vorgelesen, was beide Zeugen bestätigt haben. Darauf hat der Kläger ausweislich der weiteren Bekundungen der Zeugin entgegnet, dass er fit sei und dass nichts vorgelegen habe.“  

 

Rechtsanwalt Jan-Martin Weßels, Hamburg