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Keine Entschuldigung von Falschangaben durch unzureichende Sprachkenntnisse, Rücktritt der Berufsunfähigkeitsversicherung kann berechtigt sein.


OLG Hamm, Urteil vom 3. Februar 2015 zu dem Thema „Entschuldigung von Falschangaben durch unzureichende Sprachkenntnisse":


Klar im Urlaub kann es auf Sprachkenntnisse ankommen, wenn man nicht gerade nach Palma de Mallorca fliegt. Aber auch bei Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung sind Sprachkenntnisse von entscheidener Bedeutung.  Bei Recherchen zu diesem Thema bin ich auf eine interessante Gerichtsentscheidung des OLG Hamm gestoßen.

Im Rahmen der Berufung eines Klägers gegen ein ablehnendes Urteil des Landgerichts Arnsberg aus dem Jahre 2013 hatte das Oberlandesgericht Hamm am 3. Februar 2015 zu dem Thema „Entschuldigung von Falschangaben durch unzureichende Sprachkenntnisse“ zu entscheiden

 

Was war geschehen?

Der Kläger, von Beruf Stanzer, begehrte unter anderem die Feststellung, dass die bei der Beklagten abgeschlossene fondsgebundene Rentenversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nicht durch Gestaltungserklärung (hier ein Rücktritt) der Beklagten beendet worden ist.

 

Nachdem der Kläger aufgrund einer Lungenerkrankung und einer psychischen Erkrankung Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung wegen Berufsunfähigkeit beantragt hatte, trat die beklagte Versicherung im Rahmen der Leistungsprüfung vom Versicherungsvertrag zurück, mit der Begründung, der Kläger habe ärztliche Behandlungen, die vor Vertragsschluss erfolgten und nach denen vom Berufsunfähigkeitsversicherer gefragt worden war, nicht offen gelegt und damit gegen seine Anzeigepflicht gegenüber dem Versicherer verstoßen. 

 

Das Gericht entschied, dass wenn der Versicherungsvertreter dem Antragsteller die vorformulierten Gesundheitsfragen aus dem Versicherungsantragsformular in einer Art und Weise vorgelesen habe, die das Ausfüllen des Formulars durch den Versicherungsvertreter einer eigenverantwortlichen Beantwortung durch den Antragsteller vergleichbar erscheinen lassen, sich der Versicherungsnehmer nicht mit der Behauptung entschuldigen kann, er habe die Fragen nicht verstanden. Dabei müsse ein der deutschen Sprache nicht ausreichend kundiger Ausländer sich gegebenenfalls in Eigeninitiative den Text des Formulars übersetzen lassen. Wenn wie hier bereits bei Antragsaufnahme ein Dolmetscher mitgewirkt habe, scheide ein Berufen auf unzulängliche Sprachkenntnisse aus, so das Gericht unter Verweis auch auf andere Gerichtsentscheidungen.

 

Mein Kommentar dazu:

Leider passieren bei Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung immer wieder Fehler. Insbesondere werden Gesundheitsfragen objektiv falsch beantwortet. Daraus wird dann häufig von den Berufsunfähigkeitsversicherern und den Gerichten der Schluss gezogen, dass dies arglistig, bzw. vorsätzlich oder grob fahrlässig erfolgte. Im eigenen Interesse sollten zukünftige Versicherungsnehmer nicht nur alles angeben, was ihnen nach sorgfältiger Überlegung einfällt, sondern ggf. auch eine Krankenkassenauskunft über den abgefragten Zeitraum dem Berufsunfähigkeitsversicherer vorlegen. Ob unser Versicherungsnehmer aus unserem Fall aber überhaupt einen Vertrag bei Offenlegung aller Umstände erhalten hätte, wage ich allerdings zu bezweifeln.

 

Hintergrund


Falls Sie sich für den Hintergrund des Falles und dessen Einzelheiten interessieren:

Mit der mit „nein“ angekreuzten Gesundheitsfrage Nr. 3 war der Kläger gefragt worden:

„Sind Sie in den letzten 5 Jahren untersucht, beraten oder behandelt worden hinsichtlich: Herz, Kreislauf, innere Organe, Harnwege, Bluthochdruck, Atmungsorgane, Gefäße, Drüsen, Gehirn, Nerven, Psyche, Blut, Zucker, Stoffwechsel, Krebs, Tumore, Knochen, Gelenke, Wirbelsäule, Muskeln, Augen, Ohren, Haut, Allergien, Infektionen, Verletzungen, Vergiftungen, Alkohol- und Drogenkonsum?"

 

Der Kläger war vor Vertragsschluss u.a. wegen Gehirnerschütterung, Lumboischialgie, Fettleber, Oberbauchbeschwerden, Hypertonie, Ureterstein, Epicondylitis, Gastritis, Kreuzschmerz, Viruswarzen behandelt.

 

Der Kläger behauptete, der deutschen Sprache nicht mächtig zu sein und im Beratungsgespräch seien ihm die in Frage stehenden Gesundheitsfragen nicht übersetzt worden. Die Zeugen hätten die Gesundheitsfragen völlig anders vermittelt, als die Beklagte sie in ihrem Antragsformular schriftlich fixiert habe. Sie hätten ihm mitgeteilt, er müsse – entgegen der vorformulierten Gesundheitsfrage – nur chronische Krankheiten angeben. Sie hätten „immer genau das Gegenteil gesagt, von dem, was dort steht.“ Diese Angaben des Klägers sah das Gericht aber nach einer Zeugenvernehmung als widerlegt an. Während dieses Gesprächs hatte eine Frau dem Kläger die Gesundheitsfragen nämlich, nachdem sie durch den Versicherungsvertreter vorgelesen worden waren, auf Türkisch erläutert. 

 

(Zitat) „Beide Zeugen haben übereinstimmend bestätigt, dass dem Kläger die Gesundheitsfrage Nr. 3 von dem Zeugen F exakt vorgelesen worden ist. Die Zeugin B2 hat den Kläger zu der Frage Nr. 3 ihren Bekundungen nach sodann speziell gefragt, ob er in den letzten fünf Jahren beim Arzt gewesen ist. Darüber hinaus hat die Zeugin ausdrücklich in Abrede gestellt, den Kläger nur nach chronischen Krankheiten gefragt zu haben.“ 

 

und weiter (Zitat)

„Entgegen dem Berufungsvorbringen spricht nichts dafür, dass die Zeugin B2 dem Kläger die Gesundheitsfrage Nr. 3 abweichend von ihrem Inhalt dahingehend erläutert hat, er müsse nur die chronischen Krankheiten angeben.

Dabei hat die Zeugin insbesondere an keiner Stelle ausgesagt, dass dem Kläger gegenüber der Begriff der chronischen Krankheiten überhaupt verwendet worden ist. Die Zeugin hat lediglich allgemein angeben, dass Herr F den Begriff häufiger in Vermittlungsgesprächen verwendet. Sie konnte sich gerade nicht daran erinnern, ob er ihn in dem streitgegenständlichen Gespräch verwendet hat. Vielmehr hat sie allein angegeben, dass der Begriff "chronische Krankheiten" benutzt wurde, wenn er in den Gesundheitsfragen verwandt wurde. Dies ist aber bei den von der Beklagten im Streitfall verwendeten Fragen gerade nicht der Fall. Unschädlich ist entgegen der Ansicht des Klägers auch, dass die Zeugin B2 den Kläger ihren Bekundungen nach speziell gefragt hat, "ob er in den letzten fünf Jahren regelmäßig beim Arzt war". Dem Kläger wurde die Gesundheitsfrage Nr. 3 wörtlich vorgelesen, was beide Zeugen bestätigt haben. Darauf hat der Kläger ausweislich der weiteren Bekundungen der Zeugin entgegnet, dass er fit sei und dass nichts vorgelegen habe.“  

 

Rechtsanwalt Jan-Martin Weßels, Hamburg